Frau Dirkes, Sie arbeiten bei hpm im Consulting und ihr Fokus liegt auf dem Thema Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist ein umfassender Begriff – was verstehen Sie darunter?
Für mich bedeutet Nachhaltigkeit verantwortungsvoll zu handeln, um den Menschen und der Umwelt nicht zu schaden. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Nachhaltig wirtschaftlicher Erfolg beruht auf langfristiger Sichtweise und ganzheitlicher Betrachtung, also auch entlang der Wertschöpfungskette. Dabei geht es nicht um große Veränderungen innerhalb des Unternehmens. Oft sind es nur Feinschliffe, die dem Unternehmen Auftrieb zu mehr Nachhaltigkeit verleihen.
Nachhaltigkeit ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer stärker diskutiert wurde. Nehmen Sie eine Bewusstseinsveränderung auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene wahr?
Eindeutig ja! Besonders in der Gesellschaft gewinnt das Thema Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung. Nicht zuletzt wegen sozialer Bewegungen für den Klimaschutz sowie großer Werbekampagnen von Supermärkten und Bekleidungsfirmen. Sie setzen sich für die Wahrung der Umwelt aktiv ein und machen auf die Bedeutung des Themas aufmerksam. Außerdem interessiert es die Menschen einfach, wo ihre Produkte herkommen und wie sie hergestellt wurden – das sieht man auch an den Trends bei Bioprodukten, dessen Umsatz innerhalb der letzten Jahre enorm gestiegen ist. Auch andere Branchen folgen der gestiegenen Nachfrage nach Unternehmensverantwortung. Besonders produzierende Unternehmen werden genau unter die Lupe genommen.
Und wie sieht das in der betrieblichen Umsetzung aus?
Die Umsetzung im Betrieb verläuft meist verzögert zu den strategischen Ansätzen, was sicherlich den internen Strukturen und Gewohnheiten geschuldet ist. Für viele Unternehmen ist die Thematik neu, daher herrscht Unsicherheit im Umgang mit der Implementierung von Nachhaltigkeit.
Und dennoch setzen zunehmend mehr Unternehmen auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise.
Absolut! Meist handeln Unternehmen aus drei verschiedenen Gründen: 1. Kosteneinsparung, 2. Mitarbeiterbindung, 3. Rechtliche Vorgaben. Einige Unternehmen sind weiter als die anderen. Besonders Konzerne sind oftmals einen Schritt voraus und haben das Thema Nachhaltigkeit bereits in der Unternehmenspraxis etabliert. In vielen Unternehmen steckt nicht zuletzt wegen des neuen Lieferkettengesetzes viel Potenzial und Dringlichkeit zum Handeln. Zentral hierbei ist die Unterstützung seitens der Geschäftsführung, die das Go für ein Nachhaltigkeitsmanagement geben muss. Ohne diese Unterstützung ist die Umsetzung schwierig und sendet innerhalb der Belegschaft falsche Signale. Denn, nur wenn alle Mitarbeiter des Unternehmens mit ins Boot geholt werden, kann das Unternehmen langfristig diese strategische und operative Neuausrichtung tragen.
Sie haben das Lieferkettengesetz angesprochen. Können Sie erläutern, warum gerade das für KMU eine besondere Bedeutung hat?
Ziel des ab 2023 geltenden Gesetzes ist die Übernahme unternehmerischer Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Heißt also, dass zuerst große Unternehmen, später auch KMU, soziale und ökologische Verantwortung entlang der Lieferkette übernehmen müssen – vom direkten Zulieferer vor Ort bis zum Rohstoffabbau in Übersee. Daher müssen auch KMU ihre Unternehmensaktivitäten offenlegen und eine nachhaltige Wirtschaftsweise garantieren, damit Geschäftsbeziehungen bestehen bleiben.
Und was passiert, wenn die Unternehmen ihr business-as-usual fortführen und der Nachhaltigkeit wenig Beachtung schenken?
Nun, mal abgesehen von den gesetzlichen Regelungen, wie etwa dem CSR-Berichtspflicht-Umsetzungsgesetz, Kreislaufwirtschaftsgesetz, ElektroG u. a., kann man den Marktteilnehmern keine Umsetzung verpflichtend auferlegen. Wer die Presse und die Reaktionen der Gesellschaft verfolgt, weiß jedoch um die Reputationsverluste bei fahrlässigem Umgang. Neben Diskussionen um soziale Bedingungen in Textilfabriken, bei der Entsorgung von Elektroaltgeräten oder die Privatisierung von Trinkwasser, führen auch ökologische Fehltritte zu Imageschäden, wie am Beispiel der Auto-, Lebensmittel- oder der Ölindustrie zu sehen ist. Dem gegenüber stehen Wettbewerbsvorteile durch eine nachhaltige Wirtschaftsweise.
Nachhaltigkeit wird oft mit einem hohen Kostenaufwand assoziiert. Begründet oder unbegründet?
Kurzfristig oft begründet, mittel- und langfristig unbegründet. Die Etablierung eines Nachhaltigkeitsmanagements erfordert zu Beginn den Einsatz von Ressourcen. Um schnell wirksame Erfolge durch Nachhaltigkeit zu erzielen, empfehle ich ein Team, zusammengesetzt sowohl aus strategischen als auch aus operativen Mitarbeitern. Die Erfassung bereits angewandter Praktiken und die Einleitung neuer Maßnahmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsleistung birgt großes Potenzial. Allein Optimierungen im Bereich Abfall, Energie und Produktionsprozesse sparen Unternehmen viel Geld. Sobald interne Verantwortungen geklärt sind, können Projekte und Anpassungen, die sich positiv in den Zahlen und der Unternehmensverantwortung widerspiegeln, geplant werden.
Was möchten Sie den Unternehmen da draußen mitgeben?
Nachhaltigkeit richtig anzugehen ist kein Kostenfaktor, sondern ein Investment in langfristigen Erfolg. Eine agile Unternehmensstruktur ebnet den Weg für Anpassungen und eine zukunftsorientierte Führung. Schubladendenken bei der Umsetzung ist wenig vielversprechend, daher ist eine gute Vernetzung und der Austausch zwischen den Abteilungen wichtig. Unternehmerische Verantwortung sollte keine Option, sondern der Grundstein eines jeden Unternehmens sein. Denn warum zu Lasten anderer Erfolge feiern, wenn man diesen auch durch Mehrwert für Gesellschaft und Umwelt erreicht?